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Feuernacht – eine Initiation

Mal was privates, was aber viele interessiert, die unsere Arbeit verfolgen:

Letztes Jahr im Herbst sprach unser ältester Sohn davon, eine Initiation in die “Pubertätszeit” zu machen. Der Impuls kam von ihm, nachdem ich lapidar im Camp sagte: “Pubertiere sind für nichts anderes als für das Holz machen und das Feuer hüten zu gebrauchen”

Diese Weisheit stammt nicht von mir, sondern ist einfach Gang und Gäbe in den Traditionen der meisten indigenen Völker. Der Grund dafür ist sehr einfach:

 

In der Zeit der Pubertät verändert sich die Hirnstruktur so sehr, dass die Jugendlichen für nichts anderes Zeit und Energie haben. Sie sind so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass man sie eigentlich in keine Verantwortung bringen kann. Man kann sie in dieser Zeit nichts heißen….

Aus diesem Grund muss mein älterer Sohn jetzt auch schon seit über einem halben Jahr nur solche Aufgaben in der Wildnisschule und dem Camp erledigen, die ihm leicht fallen: Feuerholz sammeln, das Feuer entzünden, Holz nachschieben sich um die Glut kümmern-solche Dinge eben.

Mein lapidare Spruch: „Du bist momentan für nichts anderes zuständig als für Holz sammeln und Feuer hüten, weil Du ja langsam pubertär wirst!“ arbeitete in Gabriel stark nach.

Sehr spontan sagte er: „Mama, ich möchte eine Feuernacht haben. Ich möchte eine Nacht in der ich mich nur um das Feuer kümmern muss und auf diese Art und Weise beweisen kann, dass ich jetzt ein richtiges Pubertier bin.“

Mein Mann und ich waren sehr überrascht über diese Aussage, aber gleichzeitig haben wir auch gespürt, dass da ein ganz tiefer Wunsch nach Autonomie und nach Abenteuer in ihm schlummert.

 

Als ich ihm den Vorschlag machte, seinen Freund mit zu dieser Feuernacht zu nehmen, der im Übrigen gleich alt ist, fand das Gabriel direkt sehr toll.

 

Über die Winterzeit mussten sich die 2 Jungs vorbereiten.

Jeder von den Beiden bekam also ein Lederbeutel geschenkt, in dem ein Feuerstein, ein Schlageisen und ein Kienspanstück war.

Die zwei Jungs sollten lernen alleine das Feuer zu entzünden. Das Lustige und Bezeichnende an der Sache: Sie haben sich sehr auf diese Feuernacht gefreut und haben auch verstanden, dass das Feuermachen sehr zentraler Bestandteil davon ist. Aber sie haben nicht geübt! An zwei Nachmittagen habe ich ihnen gezeigt, wie sie Charcoil selbst herstellen und wie sie Schlageisen und Feuerstein benutzen. Das haben sie dann geflissentlich monatelang verdrängt und einfach nichts gemacht.

Über Monate hinweg wurden sie immer wieder daran erinnert: du musst noch Feuermachen üben!

Erst drei Tage vor der eigentlichen Feuernacht waren sie in der Lage, sich hinzusetzen und zu üben. Unter Schweiß, Wut, Verzweiflung und Sturheit haben sie es dann endlich geschafft Feuer zu machen. Damit war das Thema für sie durch und sie fühlten sich bereit für die Nacht.

 

 

Nun möchte ich euch etwas über die Feuernacht erzählen.

Wir sind am Sonntag in unserer Waldcamp gefahren, wohl wissend, dass es tagsüber nur 10 Grad hat und nachts wahrscheinlich nur um den Gefrierpunkt herum sein wird. Die Jungs haben sich im Shelter alles vorbereitet. Das heißt, sie haben Feuerholz gesammelt, sie haben Zunder gesammelt, sie haben Anzündholz gesammelt. Große Stämme, kleine Stämme. Mein Satz „Wenn du denkst es reicht, dann musst du nochmal so viel sammeln und dann wird es wahrscheinlich gerade so reichen“ haben sie beherzigt.

Sie hatten Schlafsäcke dabei und diese haben sie sich hergerichtet, falls doch einer einschlafen sollte. In der Zwischenzeit haben Liliane (die Mama von Gabriels Freund Orlando) und ich ein Abendessen vorbereitet. Wir haben das Feuer angemacht und haben üppig gegrillt. Nachdem wir gemeinsam gegessen hatten und alles wieder zusammen geräumt hatten, löschte ich das Feuer an unserer großen Feuerstelle. Die letzte Hoffnung der Jungs, dass sie sich Glut aus unserem großen Feuerplatz nehmen konnten, erlosch somit auch.

 

Es war ungefähr 19:00 Uhr, als wir losgezogen sind und die Jungs alleine gelassen haben im Wald. Liliane und ich haben uns auf einer Wiese unseren Zeltplatz ausgesucht. Wir waren ungefähr zweieinhalb Kilometer von den Jungs entfernt.

Was dann passierte und wie die Jungs die Nacht empfanden, lest ihr am Ende meiner Erzählung!

Wir haben die Nacht, gemeinsam mit unseren beiden jüngeren Kindern im Zelt verbracht. Morgens um 07:00 Uhr sind wir aufgestanden und haben unsere Zelte zusammengeräumt und um kurz vor 8 waren wir dann bei den Jungs im Camp.

Sie waren beide sehr müde, aber auch total ruhig und entspannt. Es war, als würden wir in eine andere Welt eintauchen, man hat einfach gemerkt, dass die zwei sich so zusammen arrangiert haben. Es war, im Nachhinein betrachtet, so, als  ob wir in eine Privatsphäre eindringen. Trotzdem waren die Jungs sehr froh, uns zu sehen und obwohl sie eigentlich mit uns abgesprochen hatten, dass wir gemeinsam frühstücken im Wald, haben sie sich dann aber entschieden, das Feuer gemeinsam zu löschen und mit uns dann direkt nach Hause zu fahren.

 

Natürlich war der folgende Tag nach der Feuernacht ein sehr langer und sehr anstrengender Tag. Und beide Jungs waren sehr müde. Aber trotzdem war die Laune gut. Und ihre Energie war ausgeglichen, freudig und völlig entspannt.

 

Ich werde niemals dieses Bild vergessen von diesem lodernden Feuer in der Feuerstelle der Jungs. Als sie das Wasser drauf gekippt haben, sprudelte und zischte es. Selbst als dann nach mehreren Litern Wasser endlich die Glut aufhört zu glühen, so glühten immer noch die Steine ringsherum. Diese Energie und diese Hitze, die davon abstrahlte, war etwas ganz Besonderes. Ich glaube, ich selbst habe noch nie Steine gesehen, die weit über 12 Stunden hinweg ständig angefeuert wurden und in einer so zeremoniellen Hitze gefangen waren.

 

Gabriel hat für sich beschlossen, auf jeden Fall so eine Feuernacht zu wiederholen. Er hat sich unglaublich gut dabei gefühlt und ist sich seiner selbst nun viel sicherer. Immer wieder kommen im Alltag Sätze wie: also ich kann Feuer alleine entzünden und brauche dazu keine Streichhölzer. Ich schaff das schon. Wer eine Nacht im Wald geschafft hat, der schafft alles andere auch. Ich kann mich auf mich verlassen. Das soll mir mal einer nachmachen!

 

Ich, als Mutter: Ich kann sagen, dass für mich die Nacht wahrscheinlich anstrengender war, als für meinen Sohn. Ich weiß, dass Gabriel mindestens 4 Stunden geschlafen hat in dieser Nacht und wohlbehütet war, denn sein Freund hat auf ihn aufgepasst. Ich weiß, dass er warm hatte, denn er hatte einen guten Schlafsack und er hatte ein permanent loderndes Feuer. Er lag geschützt in einem Shelter, umgeben von dem friedlichen Wald, dem Feuer und seinem Freund.

Ich selbst lag in einem Zelt und ich lag fast die ganze Nacht wach. Und habe immer überlegt, ob alles in Ordnung ist. Ich habe überlegt, ob er Angst hat. Ich hatte meine Bedenken, ob er es schafft, so lange wach zu bleiben. Oder wenn er denn einschläft, ob er sich richtig zudeckt, ob er eine Mütze auf hat…ob er an das zweite Paar Socken denkt. Urplötzlich in der Nacht bekam ich Angst, dass er vielleicht mit dem Schlafsack zu nah an das Feuer rückt und der Schlafsack Feuer fängt. Dann dachte ich mir: Vielleicht kann er es gar nicht genießen, vielleicht ist er noch zu sehr Kind und macht sich einfach nur Ängste oder sie erzählen sich gegenseitig Geistergeschichten und können überhaupt nicht den Wert und das Abenteuer schätzen, das sie jetzt gerade erleben dürfen. Über so viele Dinge machte ich mir Gedanken. Nicht als Begleiterin, nicht als Wildnispädagogin, nicht als Erzieherin, sondern als eine Mama, die zum allerersten Mal ihr Kind so richtig losgelassen und alleine gelassen hat. In meinem Kopf weiß ich, dass der Wald der sicherste Ort ist. Viel gefährlicher ist eine Nacht in der Disco oder in einer Großstadt. Dort können viel schlimmere Dinge geschehen.

Ich weiß, dass ich meinen Sohn an einem der sichersten Orte, die ich kenne, alleine gelassen habe. Und doch hatte ich Angst um ihn und musste für mich selbst arbeiten und überlegen.

Es ist an der Zeit  meinen 13 jährigen Jungen loszulassen. Diese Erkenntnis und diese Energie hat auch mich viel weitergebracht. Parallel dazu hat der kleine Bruder von Gabriel, der jetzt 10 Jahre alt wird, sehr schnell verstanden, dass dieses Abenteuer für ihn noch gar nichts ist. Kleine Geschwister neigen ja dazu ganz schnell zu sagen „Ich will das auch!“

Aber Elias hat sehr schnell verstanden, nachdem wir Gabriel und Orlando im Wald alleine gelassen haben, dass dieses Abenteuer noch viel zu früh für ihn wäre. Und diese Erkenntnis hat auch beiden Brüdern gutgetan. Es ist eine gesunde Trennung und beide können sich jetzt mit anderen Augen anschauen.

 

 

Hier kommt der Bericht von Gabriel (anhand eines Diktierprogramms direkt verschriftlicht!)

 

Wie war es für Dich, erzähl mal!

Als erstes hab ich Wut, Verzweiflung und dann hatte ich stolz und ja also, ich hatte das Feuer dann an. Dann war wohliges Geborgensein bis 12 Uhr nachts. Dann kam wachsame Stille. Dann eben nicht zu versuchen Einzunicken. Und dann schlafen ruhig und dann aufwachen und wieder aufpassen. Später dann wieder fröhlicher werden, weil es Morgen wird.

 

Wie hast du das denn erlebt?

Dieses Morgen werden im Wald? Es ist ganz dunkel und dann geht die Sonne schon etwas auf und dann sieht man die Stämme wieder. Die Vögel waren lautet morgens ja, Oh ja.

 

Gabs da zwischendurch auch Angst, oder die den Gedanken Schaffs nicht?

Ja doch, beim Feuer anzünden. Weil wir es halt nicht hingekriegt haben nach dem vergeigten Versuch ja, das war scheiße und dort war auch diese Wut und diese Verzweiflung. Und dann auch halt nachts, beim einnicken. Da hab ich gedacht schlaf ich ein oder nicht? Ob ich es schaffe? Aber ich bin nur kurz eingenickt und hab mich ja dann auch weiter wachgehalten nach 03:00 Uhr.

 

Wie waren diese Phasen, als einer schlief und einer wach war?

Also als der Orlando schlief und ich wach war, das war wachsam durch die Gegend guckend, ob da irgendwas ist.

 

Okay also wirklich wie Wache halten?

Ja wir haben es auch so genannt so war es auch.

 

Und wie war das Gefühl dabei?

Misstrauisch sein, wachsam sein.

 

Aber es gab keine Phase, wo du richtig Angst hattest?

Nein, richtig, richtig Angst, ne, nein.

 

Und in den Phasen, wo du schlafen wolltest, also hast du dich da vom Gefühl her ganz arg auf die neue Orlando verlassen können. Hast du dich beschützt gefühlt?

Ja, ganz klar!

 

Wie war es denn später hin, war dann nicht mehr so viel Langeweile?

Nein, dann haben wir Kaffee getrunken und dann musst du auch wieder zum Feuer, also das Feuer pflegen. Das hat echt geholfen in der Nacht, weil das war so langweilig, da konnt man immer froh sein, dass man sich überhaupt irgendwo bewegt hat, weil wir sind immer gemeinsam zum Auszutreten oder halt Holz holen gegangen. Und sich um das Feuer zu kümmern das war spaßig und das hat gute Stimmung gemacht und es war nicht langweilig. Das hat auch beschäftigt und von der Müdigkeit aufgeweckt.

 

Weiß nicht, ob du das jetzt so kurz danach schon sagen kannst, aber was war für dich jetzt so das Allerschwierigste, etwas womit Du ganz arg gehadert hast, was ganz arg schwierig war?

Ja, es gab zwei! Erstens das Feuer an kriegen, das war sehr angestrengt, Orlando hat eine Raucherlunge bekommen und man hat die ganze Zeit gehustet und es ist die ganze Zeit ausgegangen, das war frustrierend. Und das zweite war, das nicht einnicken wollen. Wir wollten ja wachs bleiben.

 

Und was würdest du sagen jetzt so kurz danach? Was war das beeindruckendste, also positiv? Was war das schönste Gefühl?

Es war in der Zeit von acht bis Mitternacht, da waren wir im Glücksrausch, nachdem das Feuer an war. Da haben wir uns richtig viel gegönnt und richtig viel geredet. Da haben wir einen erfolg gehabt.

 

Und gab es gab es Phasen, wo du Schwierigkeiten hattest mit deinen Gedanken?

Ja, das war beim Feuermachen. Und dann irgendwann um 05:00 Uhr nachts hab ich alleine Wache geschoben der Orlando schlief schon, da hab ich mir so Gedanken gemacht, die sind da so gekreist. Ich weiß nicht mehr um was, aber das Gefühl weiß ich noch dazu.

 

Gibt es schon sowas wie für dich persönlich sowas wie ein erstes Fazit?

Ja eigentlich schon, also ich fand alles richtig gut. Und vor allem auch diese Anstrengung das Feuer an zu kriegen. Das hat mich richtig angespornt, das war auch toll. Oh und dann das Feuer holen und das Feuer hüten und das gemeinsame Kaffeetrinken um 11:00 Uhr und das Quatschen über ganz viele Sachen. Und das Allgemeine, die allgemeine Stimmung, das war toll. Empfehlenswertes Abenteuer, empfehlenswert für alle! Ok, wer es sich traut, aber wenn er es sich erstmal zutraut, dann ist es einfach.

 

Mhm okay, dann hast du das Gefühl gehabt jetzt geht ihr beide mit diesen Zutrauen in dieses Abenteuer?

Ja, absolut!

 

Hattet ihr alle Informationen, die er brauchtet für die Nacht?

Auf jeden Fall natürlich nicht alles, das kann man ja nie irgendwie kriegen, aber die meisten Sachen, die wichtig waren, waren in den Informationen drin, die ihr mir gegeben habt und ja, also, wir haben dann auch alles befolgt und auch noch ein paar neue Dinge, ja das fand ich echt toll dieses Abenteuer.

Ja, und die allgemeine Stimmung war als erstes voll schlecht, dann war es richtig geil, dann ist es wieder abgesackt und dann hat sich richtig eingependelt. Ähm, das war dann auch ein bisschen angenehm, so eine angenehme angespannte Atmosphäre. Alle schon wachsam, ja aber entspannte Aufmerksamkeit. Als um 6:00 Uhr hab ich den Orlando geweckt und dann wars Tag und dann haben die Vögel gezwitschert. Und dann haben wir mit unseren dicken Jacken am Feuer gesessen. Und ja, also, es war wichtig auch die Schlafsäcke dabei zu haben.

Es war ein toller Tag und eine tolle Nacht. Halt super gut.

 

 

 

 

 

 

 

 

Feuernacht – das erste richtige Loslassen, die Überführung in die Pubertät

Phönixnacht – die Entlassung in die Erwachsenenwelt

 

 

 

3 Gedanken zu „Feuernacht – eine Initiation“

  1. Euer Bericht, Mama und Sohn, hat mich sehr berührt. Ich selbst habe in einer Vision Quest vier Tage und Nächte draußen alleine verbracht und weiß, was es heißt, eine Nacht wachend durchzustehen. Alleine mit sich sein zu können, in der Nacht, mit der Dunkelheit und den Tieren, all den Geräuschen, Wind, Wetter und Natur, aber auch den eigenen Gedanken und Gefühlen ausgesetzt. Danke fürs Teilen und herzlichen Glückwunsch zu diesen Erfahrungen, die auch ich als sehr stärkend empfunden habe. 🙂

    1. Liebe Christine,
      vielen Dank für Deinen Kommentar. Es ist so schön, dass Du aus Deiner Erfahrung heraus diesen Bericht lesen und nachempfinden kannst! Starke Worte von einer starken Frau!

  2. Ich bin so unendlich stolz auf meinen Sohn. Mit 12 hätte ich mich das nicht getraut…
    So eine Erfahrung zu machen und sich dessen so bewusst zu sein ist unbeschreiblich wichtig und elementar. Sie wird ihn in vielen weiteren Situationen im Leben tragen und er wird sich immer wieder daran zurückerinnern und darauf zurück besinnen können. Kraft, Ausdauer, Beharrlichkeit, Zu-und Vertrauen, Mut, Stärke, Freundschaft, Loyalität…all das und noch viel, viel mehr lag und liegt in dieser ganz besonderen Nacht und Initiation.
    Eine weitere wundervolle Erfahrung für mich als Papa von Loslassen (können) und zu wissen, dass meine Kinder sich selbst gehören. In tiefer Dankbarkeit und Liebe ❤️

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